spot : wagner & me
14. Dezember
ab 20:00 uhr
darf ein jude wagner lieben? der britische schauspieler und schriftsteller stephen fry hat einen teil seiner familie im holocaust verloren – und ist ausgerechnet der musik von richard wagner verfallen. um diesen widerspruch zu ergründen, unternahm er eine art selbstversuch: er ging nach bayreuth und ließ sich für die dokumentation „wagner & me“ filmen. was hierzulande kaum jemandem gelingt, hat fry geschafft. in bayreuth erlaubt man ihm nach langem warten, hinter die kulissen zu blicken. eine kamera begleitet ihn dabei. das ergebnis ist ein dokumentarfilm fast wie eine liebeserklärung. staunend durchwandert fry die werkstätten und probebühnen – hingerissen, manchmal fassungslos von dem, was er sieht, voll kindlicher begeisterung. „ich wollte zeitlebens die musik, die ich liebe, hier erleben“, sagt er. „aber es ist kein geheimnis, dass ich meine leidenschaft mit hitler teile. wie ich spürte hitler die magie von bayreuth. ich bin jude und habe verwandte im holocaust verloren. bevor ich im theater platz nehme, muss ich wissen: tue ich das richtige?“ seine selbstbefragung führt fry nach nürnberg zum reichsparteitagsgelände, der bühne für hitlers propaganda. hier marschierten einst hunderttausende nazis auf. hitler ließ das spektakel mit richard wagners chören orchestrieren. „dort stand hitler“, sagt fry, „und heute gehen touristen da hoch. manche menschen bringen es nicht übers herz, da hoch zu gehen, auch ich nicht.“ das ist der moment, an dem der film eine andere wendung hätte nehmen können. fry zweifelt an seiner begeisterung für wagner. „ich fühle mich unwohl, in nürnberg über wagner zu reden“, sagt er. „ich spüre die enge verknüpfung wagners mit der fantasiewelt der nazis, mit hitlers weltsicht.“ in der schweiz sucht fry nach antworten auf die frage, warum gerade wagner die nazis so faszinierte. hierher flüchtete der komponist nach der gescheiterten revolution 1848 ins exil und schrieb nicht nur seine grandiose ring-tetralogie, sondern auch seine hetzschrift „das judentum in der musik“, ein schatten über wagners werk. fry, der jude und glühende wagner-verehrer, will wissen, woher wagners antisemitismus kam. „sein antisemitischer ausbruch hatte auch persönliche motive: seine eifersucht auf die gefeierten jüdischen komponisten mendelssohn und meyerbeer“, so fry. chris walton, historiker und autor, erklärt: „wagner brauchte so etwas wie einen bizarren nervenkitzel, um sich künstlerisch anzutreiben, einen gegner, oder einen feind in sich selbst.“ „hätte er doch nur gewusst, dass sein antisemitismus ihm selbst am meisten schaden würde“, entgegnet fry. auch indem fry erklärt, wie zukunftsweisend und revolutionär wagners harmonik war, versucht er, wagners musik vor dem antisemiten richard wagner zu retten. „ich spiele den tristan-akkord auf wagners eigenem klavier“, triumphiert er. „ich muss mich zwicken. nein, ich träume nicht.“ dieser akkord ist ein „koitus interruptus“ in dem liebesnacht-duett, die unerträgliche spannung des tristan-akkords symbolisiert verehrung und zweifel – ein beständiges dilemma, dass dem zuschauer den menschen stephen fry näher bringt. darf ein jude wagner lieben? für stephen fry gibt es keine richtige antwort auf diese quälende frage. auch deshalb ist „wagner & me“ ein kluger und zugleich persönlicher, berührender film. aber es ist auch die suche nach absolution für einen glühenden wagner-verehrer, der keiner sein dürfte. aber absolution gibt es nur im himmel und nicht in bayreuth. „meine hand liegt hier auf dem türgriff“, sagt fry am festspielhaus. „sie finden mich jetzt total übertrieben. aber dies ist der tempel, das zentrum, das heiligtum aller heilgtümer, das theater. ein leben lang habe ich darauf gewartet, hier hineinzugehen, und jetzt tu ich es.“ gb, 2010, 93 min, omu. (englisch mit englischen untertitlen) filmbeginn 20.30 uhr.
trailer : spot
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